Die neue Abtei St. Hildegard

Abtei Oberhalb des alten Klosters Eibingen liegt heute die neue, in den Jahren 1900 bis 1904 erbaute Benediktinerinnen-Abtei St. Hildegard. Ihr Gründer, Fürst Karl zu Löwenstein (1834-1921), eine der führenden Persönlichkeiten des deutschen Katholizismus im 19. Jh., hatte es sich zur Aufgabe gemacht, an historischer Stätte die Tradition der Klöster Hildegards neu aufleben zu lassen.
In der im neuromanischen Stil wiedererrichteten Abtei leben heute 60 Ordensfrauen zwischen 25 und 88 Jahren. Wie alle Benediktinerinnen - nicht zuletzt Hildegard von Bingen auch - richten sich die Schwestern nach der Regel des hl. Benedikt, die über 1400 Jahre alt, gleichwohl aber in ihrer grundlegenden Ordnung zeitlos gültig und aktuell ist. Am Beginn und im Mittelpunkt jeder benediktinischen Berufung steht die Gottsuche. Wer sich berufen weiß und ganz in Gottes Gegenwart leben möchte, der verspricht, sich durch das Evangelium führen zu lassen, Gott zur Mitte seines Daseins zu machen und ihn in jedem Menschen und jedem Ereignis zu suchen und das in der Gemeinschaft derer, die mit ihm auf demselben Weg sind.
Benediktinisches Leben ist ganz wesentlich Leben in Gemeinschaft, in dessen Mittelpunkt Gottesdienst und Liturgie stehen. Da dem Gottesdienst nach der Regel des hl. Benedikt nichts vorgezogen werden soll, prägen die Gebetszeiten den Tagesablauf im Kloster. Siebenmal am Tag versammeln sich die Schwestern zum gemeinsamen Gebet im Chor. Das Stundengebet wird weitgehend in lateinischer Sprache gesungen. Dabei kommen die uralten Melodien des Gregorianischen Chorals, die das Wort Gottes in einzigartiger Weise musikalisch ausdeuten, zum Erklingen. Auch das persönliche Gebet, die Zeiten des Schweigens und der geistlichen Lesung gehören unverzichtbar zum Alltag.
Die Arbeit in Buch- und Kunsthandlung, Dinkel- und Likörverkauf, Goldschmiede, Kerzenwerkstatt, Restaurierungswerkstatt, Weinbau und Weinverkauf dient zunächst dem Lebensunterhalt der Gemeinschaft, gemäß dem Wort des hl. Benedikt: "Nur dann sind sie wahrhaft Mönche, wenn sie von ihrer Hände Arbeit leben." Auch die Hildegard- Forschung und Betreuung von Pilgern gehört zu den Aufgaben der Benediktinerinnen. Hinzu kommt die Sorge um Einzelgäste und Besucher, die nach Austausch, seelsorglichen Gesprächen, Exerzitien oder Besinnungstagen suchen. In jedem Gast versuchen die Schwestern einen Anruf Gottes zu erkennen, auf den sie, ihren Möglichkeiten gemäß, antworten möchten. In allem geht es um Gott, um seine Liebe, die eine benediktinische Gemeinschaft durch ihr Dasein der Welt bezeugen will.

Sr. Philippa Rath OSB

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